Unsere Forderungen

Am 7. Dezember 2018 haben sich in München haupt- und ehrenamtliche Fachkräfte aus Deutschland und Österreich zum Themenfeld Regenbogenfamilien getroffen und die Bundesinteressengemeinschaft Regenbogenfamilien-Fachkräfte (BIG RBFF) gegründet. Neben dem fachlichen Austausch wollen alle zugehörigen Fachkräfte die Interessen von Regenbogenfamilien in Gesellschaft und Politik vertreten. Darum fordern wir, dass Kinder und Eltern in lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, inter und queeren (LSBTIQ*) Familien rechtlich von Anfang an abgesichert sind.

Die rechtliche Ausgangssituation

Mit der Einführung der „Ehe für alle“ am 1. Oktober 2017 können nun auch queere Paare gemeinsam Kinder adoptieren. Was nicht angepasst wurde, sind die Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch zur Abstammung. Gemeinschaftliche rechtliche Elternschaft ab Geburt ist bisher nur einem (vermeintlich) cis-heterosexuellen Paar vorbehalten.

Demnach ist Mutter eines Kindes die Person, die das Kind geboren hat. Rechtlicher Vater eines Kindes ist der Ehemann der Mutter bzw. derjenige, der die Vaterschaft anerkennt oder bei dem sie gerichtlich festgestellt wird; in den ersten beiden Fällen ist der rechtliche Status unabhängig von der biologischen Elternschaft.

Ist die Mutter / der gebärende Elternteil mit einer Person mit weiblichem, diversem oder offenem Geschlechtseintrag verheiratet, gilt diese automatische rechtliche Elternschaft bisher nicht. Die Person muss eine Stiefkindadoption durchführen, um rechtlicher Elternteil ihres Kindes zu werden. Ab 2005 gab dies lesbischen Frauen in Eingetragenen Lebenspartnerschaften zum ersten Mal die Möglichkeit, beide rechtlicher Elternteil ihrer Kinder zu werden.

Auch eine Mutterschafts- oder Elternschaftsanerkennung für unverheiratete Eltern gibt es – im Gegensatz zur Vaterschaftsanerkennung – immer noch nicht.

Ebenso wie lesbische Eltern werden trans*, inter* und nicht-binäre Eltern durch die aktuelle Rechtslage diskriminiert. Eine trans*männliche, inter* oder nicht-binäre Person, die ein Kind auf die Welt bringt, wird als „Mutter“ und mit falschem Namen in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen. Eine zeugende trans*weibliche, inter* oder nicht-binäre Person muss sich entscheiden: Entweder sie wird mit dem falschen Namen und der entsprechend falschen Bezeichnung („Vater“) eingetragen oder sie muss ebenfalls eine aufwendige Stiefkindadoption ihres leiblichen Kindes durchlaufen. Trans*, inter* und nicht-binäre Personen mit dem Personenstand divers oder einem offenen Geschlechtseintrag können ebenfalls nur durch die Stiefkindadoption mit geschlechtsneutraler Bezeichnung („Elternteil“) und richtigem Namen in die Geburtsurkunde ihres Kindes eingetragen werden. Erfolgt die Änderung des Geschlechtseintrages und die Namensänderung eines trans*, inter* oder/und nicht-binären Elternteils nach der Stiefkindadoption, bleibt der falsche Name unwiderruflich in der Geburtsurkunde des Kindes.

Die Forderungen

  1. Eine Änderung des Abstammungsrechts und Anpassung der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung:
    Rechtlicher Elternteil eines Kindes ist die Person,
    – die das Kind geboren hat,
    – die zum Zeitpunkt der Geburt mit der gebärenden Person verheiratet ist oder in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt,
    – die die Elternschaft anerkennt.

  2. Die Begriffe „Mutter“ und „Vater“ sollen dabei nur auf Wunsch der Eltern verwendet werden, ansonsten gelten geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie „Elternteil“.

  3. Die oben genannten Änderungen sollen zudem unabhängig davon gelten, ob das Kind mit oder ohne Hilfe einer reproduktionsmedizinischen Einrichtung (Samenbank, Kinderwunschklinik) gezeugt wurde.

  4. Es muss in Zukunft eine rechtliche Absicherungsmöglichkeit für Personen geben, die mit Hilfe einer privaten Samenspende eine Familie gründen. Mit einem neuen Rechtsinstrument, einer „Elternschaftsvereinbarung vor Zeugung“ können die Beteiligten eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben, wem eine Elternrolle zukommen soll. Auch private Samenspender sollen in das Samenspenderregister aufgenommen werden können.

  5. Wir fordern eine rechtliche Absicherung von Mehrelternfamilien. Wir beraten und begleiten viele Familien, in denen es mehr als zwei Elternteile gibt. Eine Person, die Verantwortung für ein Kind trägt, soll auch rechtliche Sicherheit erhalten und das Kind zugleich Unterhalts-, Erbschafts- und sonstige Ansprüche ihr gegenüber.

  6. Wir fordern den Zugang und die Kostenübernahme für reproduktionsmedizinische Maßnahmen vom Bund, den Ländern und den Krankenkassen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Familienstand sowie Eigen- oder Fremdsamen.

  7. Eine diskriminierungssensible und informierte medizinische Versorgung von queeren Menschen in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett muss überall gewährleistet sein.

  8. Pflegeeltern müssen neben Elternzeit auch Elterngeld erhalten.

  9. Mitarbeitende in Pflege- und Adoptionsdiensten müssen für queere Bewerber*innen sensibilisiert werden.

Diese Forderungen sind nicht neu. Sie finden sich bereits unter den Beschlüssen des 71. Deutschen Juristentages vom September 2016 sowie im Abschlussbericht des vom Bundesjustizministerium 2015 einberufenen Arbeitskreises Abstammungsrecht (erschienen im Juli 2017, s.u.).

Weitere Ressourcen:
Studie des Netzwerks Queere Schwangerschaften
Abschlussbericht des AK Abstammungsrecht im Bundesjustizministerium (2017)